Tschad

Gemeinsam Herausforderungen angehen

19.12.2024
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10
Min.
Silvia sitzt im Gespräch mit drei tschadischen Personen zusammen

Physiotherapie ist eine Arbeit, die im Tschad sehr nötig ist und wunderbare Gelegenheiten bietet. Durch die meist mehrwöchige, regelmässige Arbeit mit Erwachsenen und Kindern entstehen gute Beziehungen zu den Leuten im Dorf und manchmal zu einigen Expats, die auch nicht von körperlichen Problemen verschont bleiben. Und am meisten freut es uns, wenn wir auch zum Gebet ins Dorf geholt werden.

Mit manchmal wenig Mitteln kann man viel bewirken. Beispielsweise werden bei schwierigen Geburten Babys häufig an einem Arm herausgezogen, was zu einer mehr oder weniger grossen Schädigung des Nervenasts in den Arm führt. Wenn dann die Babys dazu noch, wie hier üblich, am Arm aufgenommen werden, wird der Schaden immer grösser. Wenn man hier eingreifen kann, kann das Kind gewisse wichtige Funktionen des Armes zurückgewinnen. Kinder, die nicht laufen können, werden auf keinerlei Art gefördert, dies aus reinem Unwissen. Wie wertvoll, wenn man da Anleitung geben kann! Und es gibt Eltern und Patienten, die das Gelernte wunderbar umsetzen. Manchmal ist auch die Erwartung da, dass nach einer Behandlung schon alles gut ist. Wenn das nicht eintrifft, kommen die Leute nicht mehr, auch wenn ich es ihnen erkläre, dass sie noch Potenzial hätten, um ihren körperlichen Zustand zu verbessern. Wenn ein/e Physiotherapeut/in diese Zeilen liest und gerne die Gute Nachricht teilt, dann komm in den Tschad!

Ein Herz für Muslime?!

Wir freuen uns sehr, dass im kommenden Februar in Zusammenarbeit mit einer anderen Organisation eine Schulung von Ministère d’Envoi (Sending Ministry) stattfinden wird. Dabei werden interessierte Christen vor Ort angeleitet, wie sie anderen Menschen, besonders Muslimen, auf gute und respektvolle Art die frohe Botschaft von Jesus Christus weitergeben können. An den Vormittagen liegt der Schwerpunkt auf Gebet, Lobpreis und Unterricht. Anschliessend gehen die Teilnehmenden in kleinen Gruppen durch die Quartiere, lassen sich von Gottes Geist leiten und und halten Ausschau nach Menschen, die offen sind, von Jesus zu hören oder für sich beten zu lassen. Auf Wunsch werden solche Personen in ihrem Umfeld besucht und weiter begleitet.

Unvorstellbar grosse Herausforderungen

Unter vielen jungen Tschadern herrscht Enttäuschung und ein Stück weit Hoffnungslosigkeit angesichts ihrer Zukunftsaussichten nach den jüngsten politischen Entwicklungen im Lande. Wenn man die Umstände näher kennt, ist das auch verständlich:

  • Es gibt keine Arbeit. Selbst Personen mit abgeschlossenem Studium arbeiten als Clandofahrer (Motorradtaxi) oder versuchen auf dem Markt ein kleines Geschäft aufzubauen.
  • Die Schulen funktionieren schlecht.
  • Die Löhne sind niedrig oder werden oft nicht bezahlt.
  • Die Strassen sind schlecht.
  • Abwasser- und Abfallentsorgung gibt es nicht.
  • Überschwemmungen ist man fast hilflos ausgeliefert.
  • Die medizinische Versorgung ist äusserst schlecht, da das Personal kaum ausgebildet ist.

Diese Liste könnte noch beliebig erweitert werden. Kürzlich kam diese Hoffnungslosigkeit auch in einer Diskussion im Rahmen meines Didaktik-Unterrichtes zum Ausdruck. Ich vertrat wieder einmal eines meiner Hauptanliegen in der Didaktik: «Der Lehrstoff darf nicht nur theoretisch und abstrakt abgehandelt werden. Er muss durch konkrete Veranschaulichungen und Beispiele in der realen Welt verankert werden. Das kann durch Bilder, reale Gegenstände oder ein Video erfolgen.» In der Diskussion meinten die Studierenden dann, dass ich gut solche Ideen vertreten könne, aber die Mittel im Tschad so beschränkt seien, dass diese Ideen nicht realisierbar seien. Projektor, Computer, Bildschirm, Kopierer, elektrischer Strom, Lautsprecher, Musikinstrumente, magnetische Tafeln, grosse Papierformate, Filzschreiber, Bücher etc. gibt es nicht in den Schulen. Als Hilfsmittel hat die Lehrperson in der Regel nur die Wandtafel und bestenfalls einige veraltete Schulbücher, dazu Klassen, die zwischen 40 und 100 Kinder umfassen.

Viel Kreativität und Mut

Das stellt für mich auch eine besondere Herausforderung bei der Planung meines Didaktik-Unterrichtes dar, wenn es darum, geht Mittel und Ideen zu entwickeln, die im afrikanischen Umfeld realisierbar sind. Sie dürfen nichts kosten und sollten auch im Busch zu verwirklichen sein. Hoffnung, dass sich in naher Zukunft etwas verändern wird, haben die Studierenden nicht, zu gross sind die Korruption und die Ungerechtigkeiten. Mit unserem europäischen Hintergrund können wir uns solche Verhältnisse fast nicht vorstellen. In solchen Augenblicken versuche ich die Studierenden zu ermutigen und ihnen aufzuzeigen, dass gute Bildung nicht von teuren Gerätschaften abhängt, sondern eine Herzenssache ist. Es kommt auf ihr Engagement und ihre Vorbildfunktion an, damit ihr Unterricht einen Unterschied machen wird. So werden sie für die Kinder und das Land eine wichtige Rolle spielen. Durch unseren Unterricht versuchen wir den Studenten und Studentinnen Ideen und Visionen weiterzugeben, einen spannenden Unterricht zu gestalten und hoffen, sie dadurch zu ermutigen, die Herausforderung trotz aller Widrigkeiten anzunehmen.

Anschluss an die digitale Welt

Im Rahmen eines Pilot-Projektes rüstet SAM-global in N’Djamena drei Schulen mit einer begrenzten Infrastruktur für elektronisches Lernen aus. Die Mittel sollen im Sinne von unterstützenden Lernhilfen im Unterricht eingesetzt werden können. Dazu wird ein WLAN-Netzwerk eingerichtet, über welches eine Anzahl Tablets und einige Laptops Zugriff auf das Internet und einen Content-Server haben. Darauf sind Lerninhalte und Lernprogramme aus dem Internet gespeichert. Da der Internetzugang schlecht und sehr teuer ist, ist eine solche Lösung für die Schulen geeignet. Sie müssen nur selten online sein.
Ziele des Projektes sind:

  • Lehrkräften und Schülern einen besseren Zugang zum Wissen dieser Welt zu ermöglichen.
  • Den Lehrpersonen eine Möglichkeit zu bieten, ihre Lerninhalte im Unterricht besser zu veranschaulichen, um den Kindern eine konkrete Vorstellung zu verschaffen.
  • Den Kinder die Möglichkeit zu geben, mit geeigneten Lernprogrammen den Lernstoff vertieft zu üben.

Gestartet sind wir diesen Monat mit der Ausbildung der Lehrpersonen. Viele von ihnen hatten noch nie einen Computer in den Händen. So vermitteln wir am Anfang vor allem Grundlagenwissen wie Systemkenntnis und Kompetenzen in Textverarbeitung. Nach Neujahr sollen dann die Netzwerke eingerichtet und die Tablets eingeführt werden. Auch wenn die meisten Lehrpersonen selbst wenig Erfahrung auf dem Computer haben, so ist ihnen doch bewusst, was er ihnen für Möglichkeiten eröffnet und entsprechend gross ist das Interesse an den Kursen.
Hansueli & Silvia F.

GROSSE ZIELE IM BEREICH DER CHRISTLICHEN BILDUNG

Die Internationale Vereinigung Christlicher Schulen (ACSI) hat im August 2023 einen kontinentalen Runden Tisch in Kigali und im Mai 2024 einen regionalen Runden Tisch in Kinshasa organisiert. Wir vom CNEET (das Netzwerk christlicher Schulen im Tschad) waren begeistert und wollen die Vision weitergeben, wie wir die Herausforderungen anpacken können, die sich unserer Jugend stellen. Bis im Jahr 2050 werden sie die Speerspitze unserer Nation bilden. Aus diesem Grund haben wir einen Runden Tisch für die christlichen Schulen im Tschad organisiert, der vom 27. bis 30. November 2024 in einer unserer Kirchen in N’Djamena stattfand. Ziel ist nicht weniger als die Revolutionierung der christlichen Erziehung und Bildung. So lautete das Thema, das auf dieser Konferenz diskutiert wurde:
«Synergien von Kirche, Schule und Familie im Bereich der Erziehung und Bildung im tschadischen Kontext bis zum Jahr 2050.»

Um den Teilnehmenden eine bessere Einordnung des Themas zu ermöglichen, hielten verschiedene Redner Vorträge über:

  • Praktische Führung und die Rolle der Kirche in der Bildung im Tschad
  • Beziehung zwischen Kirche, Schule und Familie für die Förderung und Verbreitung der biblischen Werte
  • Rolle der Kirche bei der Transformation der tschadischen Gesellschaft.

Wir haben uns sehr bemüht, alle Führungskräfte der christlichen Bildung im Tschad einzubeziehen. Insgesamt nahmen 350 Teilnehmende aus allen 19 Provinzen des Tschad, von Nord bis Süd und von Ost bis West, an diesem grossen nationalen Treffen teil. Die Beschlüsse, die an diesem Treffen gefasst wurden, sollen von den vier Institutionen CNEET, Kirche, Schule und Familie wie folgt umgesetzt werden:

CNEET: Intensivierung der Lehrerausbildung, um den Herausforderungen der mangelnden Kenntnisse bei der christlichen Bildungsvision zu begegnen. Erarbeitung, Herausgabe und Bereitstellung eines Lehrplans für die Schulen, der dem tschadischen Kontext angepasst ist. Stärkung der Partnerschaft mit Partnerorganisationen und den öffentlichen Behörden zum Wohle der Schulen. Überwachung und Bewertung der Umsetzung der Entscheidungen des Runden Tisches.

Kirche: Umsetzung des Slogans: «Eine Kirche, eine Schule». Integration der christlichen Bildung in die Schwerpunktbereiche der Kirche und in die biblisch-theologischen Ausbildungsprogramme. Mithilfe bei der Entwicklung eines gemeinsamen Lehrplans für den biblischen Unterricht an allen christlichen Schulen im Tschad. Sammlung von Kollekten für die finanzielle Unterstützung der Schulen.

Schule: Entwicklung von Unterrichtsstrategien, die auf die Schulen zugeschnitten sind. Förderung von christlichen Werten im gesamten Schulleben, ganz im Sinne von: «Liebe Gott und liebe deinen Nächsten wie dich selbst.» Schutz der Umwelt thematisieren. Dem CNEET die notwendigen Informationen zur Verfügung stellen, damit es verlässliche Statistiken erstellen kann.

Familie: Traditionelle Werte anhand der Heiligen Schrift prüfen und ein Familienleben führen, das dem Wort Gottes entspricht. Ein liebevolles Familienleben gestalten (gegenseitige Fürsorge, Gebet, gemeinsames Lesen des Wortes Gottes usw.). Ziel ist es, dass jede Familie ein Vorbild für die Gesellschaft ist.

Mehrere christliche Organisationen haben diese Konferenz unterstützt, die für die christliche Erziehung und Bildung im Tschad von strategischer Bedeutung war. Dafür bedanken wir uns herzlich.
Florent N.

SAM global
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