Tschad

Freude über positive Resultate

6.12.2022
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10
Min.
Der Experte mit Schüler/innen und Eltern

Als Deza-mitfinanzierte Entwicklungsorganisation kommt SAM global einmal pro Vierjahresprogramm in den Genuss einer Wirkungsanalyse, welche durch einen externen Experten oder einer Expertin ausgeführt wird.

Dazu reiste im vergangenen September Daniele-Enrico Fino, Mitbegründer und langjähriger Leiter des Graduate Institute of International and Development Studies in Genf, in den Tschad. Die SAM global-Leitung konnte Ort und Themenbereich mitbestimmen. Die Integration von VIA (Vision Africa) ist bereits gut 10 Jahre her. SAM global hat in dieser Zeit stark in den Ausbau der Bildungsarbeit investiert. Daher war es naheliegend, den Fokus diesmal auf die Auswirkung unserer Arbeit im Bereich der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften zu legen.
Die Evaluation bestand aus drei Workshops und diversen Interviews: Die Workshops wurden mit jeweils rund 15 Personen aus den Gruppen «Schüler/innen und Eltern», «Lehrkräfte und Direktionsmitarbeitende» sowie «Schlüsselpersonen im Bildungsbereich und Expats» durchgeführt. Interviewt wurden einzelne Personen aus diesen Gruppen sowie Verantwortliche des Bildungsministeriums, der Schweizer Kooperation sowie den Koordinatoren verschiedener christlicher Schulnetzwerke.

Einen guten Ruf im Land
Wir haben uns sehr über die Resultate der Analyse gefreut. Der Experte konnte anhand seiner 10-tägigen Untersuchungen feststellen, dass sich die Arbeit von SAM global in der Ausund Weiterbildung christlicher Lehrkräfte positiv auf die Qualität des Unterrichts auswirkt. Christliche Schulen haben einen sehr guten Ruf im Land, was vor allem auch durch die anteilsmässig vielen erfolgreichen Schulabschlüsse immer wieder belegt wird. Zudem schätzen die Eltern den respektvollen Umgang der Lehrpersonen mit ihren Kindern sowie die klare Vertretung christlicher Werte. Überrascht stellte Fino fest, dass auch viele Muslime aus diesem Grund ihre Kinder mit Überzeugung an christliche Schulen schicken.
Verbesserungspotenzial ortete der Experte im Bereich der Projektplanung und -steuerung. Seit zwei Jahren sind wir dabei, die von unserer Dachorganisation Unité verlangten Standards möglichst direkt in die Projekte einfliessen zu lassen. Gemäss Fino stellen diese Anforderungen eine zu grosse Hürde für die lokalen Projektleitenden dar. Er empfiehlt ein einfacheres System für die Planung, Begleitung und Auswertung der Projekte. Die «Übersetzungsarbeit» in die erwarteten Standards von Unité sollen von Programm- oder Länderverantwortlichen übernommen werden. Weiter stösst er an, die Schulen in den Bereichen der handwerklichen Arbeiten, Gartenbau oder Kleintierzucht zu fördern. Er ortet darin nicht nur eine didaktische Wertsteigerung, sondern auch finanzielle Anreize.

Einer der Workshops für die Wirkungsanalyse

An dieser Stelle möchten wir dem Team vor Ort und insbesondere Florent N. herzlich für den grossen Aufwand danken, den sie geleistet haben, um diese Analyse durchzuführen. Ihnen ist auch das gute Resultat zu verdanken. Bravo!
Wer sich für Details der Studie interessiert, darf sich gerne an mich wenden (andreas.zurbruegg@sam-global.org).

Riesiger Bedarf

Die Regierung ist mit enormen Herausforderungen in der Bildung konfrontiert. Der Bedarf an Ausbildung ist riesig, da die Hälfte der Bevölkerung unter 16 Jahre alt ist. Aber man hat den Eindruck, dass sie kein grosses Interesse an der Bildung hat und das knappe Geld in andere Bereiche investiert. Die öffentlichen Schulen werden vernachlässigt. Die Klassen sind sehr gross, manchmal umfassen sie mehr als 100 Kinder. Lehrmittel sind nicht für alle vorhanden. Viele Kinder sitzen am Boden, weil Möbel fehlen. Neben der Wandtafel gibt es keine weiteren Arbeitsmittel. Die Motivation der Lehrpersonen an den öffentlichen Schulen ist schlecht und der Unterricht fällt häufig aus.

Unterricht in einer öffentlichen Schule


In diesem Umfeld haben die evangelischen Kirchen im Tschad verstärkt begonnen, eigene Schulen zu führen. Diese geniessen in der Gesellschaft in der Regel einen guten Ruf, weil der Unterricht vergleichsweise gut ist und die Lehrpersonen zuverlässig arbeiten, obwohl die Bezahlung bedeutend schlechter ist als in öffentlichen Schulen. Die Finanzierung erfolgt durch die Schulgelder, die die Eltern bezahlen müssen.

Um den Mangel an Lehrpersonen zu mildern und deren Ausbildungsstand anzuheben, hat der Dachverband der evangelischen Kirchen vor einigen Jahren einen eigenen Ausbildungsgang für Lehrpersonen gegründet, das «Centre évangélique pour la formation des enseignants» (CEFE). SAM global unterstützt die christlichen Schulen mit verschiedenen Projekten. Eines davon bildet dieses Lehrerseminar. Seit kurzem ist der Studiengang auch staatlich anerkannt. Das heisst, Absolvent/innen können mit diesem Abschluss auch an öffentlichen Schulen unterrichten. Im Moment gibt es einen Jahreskurs für Leute, die ein Baccalauréat (Matura) besitzen. Man hofft, bis in einigen Jahren zwei Kurse führen zu können. Als Dozenten wirken neben einheimischen Ausbildnern auch verschiedene Expats.

Interessierte Studierende

Unterricht am Lehrerseminar
So unterrichten seit diesem Studienjahr auch wir im Rahmen des CEFE. Während ich (Hansueli) Pädagogik, Informatik und Mathematik-Didaktik unterrichte, widmet sich Silvia dem Hygieneunterricht. Am 17. Oktober sind wir mit den 20 Studierenden ins Studienjahr gestartet. Viele von ihnen haben vor kurzem das Bac (Matura) gemacht, aber es gibt auch einige ältere Studierende, die schon Familie und Berufserfahrung haben. Die meisten von ihnen kommen aus dem Süden des Landes. Nun sind sie seit einiger Zeit in N’Djamena und für viele ist es der erste Aufenthalt in der Grossstadt.

Vorbereitungen und Abklärungen
Vor Semesterbeginn nutzten wir die Zeit, um das schulische Umfeld zu erkunden, die Lerninhalte zusammenzustellen und auf Französisch zu übersetzen. Wichtig für die Ausbildung ist, zu wissen, mit welchem Umfeld die zukünftigen Lehrpersonen konfrontiert werden: Wie gross sind die Klassen? Welche Lehrmittel werden eingesetzt? Wie gut können die Kinder Französisch, wenn sie in die Schule kommen? Welche Materialien und Geräte stehen in den Schulen zur Verfügung? Wie verläuft eine Unterrichtsstunde in der Regel? Die sprachlichen Herausforderungen, die knappen Ressourcen und die grossen Klassen erfordern es, Ideen und Inhalte, die ich aus meiner Schulerfahrung mitgebracht habe, auf die afrikanischen Verhältnisse anzupassen.

In Gruppen zu arbeiten, ist für die Studierenden neu und ungewohnt.

Ein Bild der Zahlen vermitteln
Ein Sorgenkind in der tschadischen Bildungslandschaft ist die Mathematik. Viele Leute können kaum rechnen, das gilt auch für unsere Studierenden. In den Schulen werden Formeln und Regeln auswendig gelernt, die im richtigen Moment angewandt werden müssen. Eine Vorstellung, welche Prozesse dahinter ablaufen, wird nicht vermittelt. So können die meisten Studierenden, die zwar die Matura gemacht haben, Aufgaben aus dem tschadischen Primar-Lehrmittel der 6. Klasse kaum lösen. Das bedeutet, dass wir in der Mathematik ganz unten anfangen werden, wo es darum geht, erst einmal eine Vorstellung zu erarbeiten, was eine Zahl ist, wie unser Zahlensystem aufgebaut ist und welche Prozesse beim Rechnen ablaufen, sowie einfache Kopfrechen-Routinen zu üben. Unser Plan ist, einfache didaktische Hilfsmittel einzuführen, die helfen, den Lehrpersonen und durch sie hoffentlich den Kindern ein Bild der Zahlen zu vermitteln und dadurch Rechenprozesse zu erleichtern.

Sehr anschaulicher Unterricht

Für neue Unterrichtsformen begeistern
Die Lektionen laufen meistens nach dem gleichen Muster ab. Die Lehrperson doziert von vorn an der Wandtafel und notiert dort seine Merksätze. Die Schüler schreiben diese in ihr Heft und lösen danach einige Aufgaben, die durch die Lehrperson in der Stunde korrigiert werden. Während schwache Schüler manchmal bis zum Ende der Lektion kaum die Merksätze abgeschrieben haben, sitzen intelligente Kinder längere Zeit untätig im Unterricht. Das ist für beide ein Problem. Die Studierenden sind so stark an dieses Modell gewöhnt, dass jede Abweichung davon für sie verwirrend und gewöhnungsbedürftig ist. Andere Elemente oder ein Weglassen bekannter Sequenzen sind schwierig zu verstehen. Dazu gehören zum Beispiel Gruppenarbeiten, spielerische Übungen und eigenverantwortliches Lernen. Wir werden versuchen, das herrschende Modell anzureichern mit Unterrichtsformen, die den Bedürfnissen besser gerecht werden. Wir hoffen, die Studierenden dafür begeistern zu können.
Silvia und Hansueli F.

Beängstigende politische Situation

Während drei Jahrzehnten unter einer autokratischen Regierung haben die Menschen im Tschad in einer Art Dschungel gelebt, der von viel Ungerechtigkeit geprägt war: Wasser war ein Luxus und Strom gab es nur für eine bestimmte Gruppe von Menschen. Die Bevölkerung musste um ihr Überleben kämpfen. Niemand wagte es, auch nur einen Finger gegen das Regime zu rühren. Viele junge Leute hatten keine Arbeit und an Geld fehlte es überall. So war viel Unmut in den Herzen der jungen Tschader/innen, als plötzlich ein junger Oppositionsführer auftauchte. Sein Slogan lautete: Gerechtigkeit und Wandel. Es kam zu einer Oppositionsbewegung mit zahlreichen Demonstrationen in den Strassen der Hauptstadt und anderer grösserer Städte. Die Polizei versuchte, die Protestierenden mit Tränengas zurückzudrängen.

Viele junge Leute gingen auf die Strasse

Revolte brutal niedergeschlagen
Am vergangenen 20. Oktober kam es dann zum «schwarzen Donnerstag». Hunderte von Jugendlichen wurden auf den Strassen von N’Djamena von den Sicherheitskräften mit teilweise scharfer Munition beschossen. In den darauffolgenden Nächten wurden mehr als tausend Menschen entführt und ohne Gerichtsverfahren hinter Gitter gesteckt, gefoltert oder gar getötet und ihre Leichen in den Fluss geworfen. Andere haben ihr Zuhause verlassen und sind ins Exil geflüchtet. Zurückgeblieben sind die verzweifelten Familien. Es ist noch nicht genau bekannt, wie viele Menschen ihr Leben verloren haben, denn bis jetzt wissen wir nicht, was mit den Entführten und Geflüchteten geschehen ist. Das weiss nur Gott und wir bitten ihn, dass er unserem Land gnädig sein möge.
N’Djerané N.

Überschwemmungen mit dramatischen Folgen

Am kürzlich beendeten Klimagipfel in Sharm el-Sheik kam klar zum Ausdruck, dass die reichen Industrienationen hauptverantwortlich sind für die Klimakatastrophen im Süden. Es wurde gefordert, dass nach dem Verursacherprinzip jenen geholfen wird, die unter den Folgen am meisten leiden. Wie es scheint, können wir als SAM global bereits einen ersten Schritt machen:

Normalerweise hofft die Bevölkerung im Tschad und in Kamerun auf eine ausgiebige Regenzeit. Dieses Jahr jedoch waren die Regenfälle so stark, dass die beiden Flüsse Chari und Logone ihren Höchststand von 1961 überstiegen. In den ländlichen Regionen stürzten viele tausend Lehmhäuser ein, weil sich deren Wände mit Wasser vollsogen. Ganze Dörfer scheinen dem Erdboden gleichgemacht. Die Ernten (Reis, Hirse, Erdnüsse oder Baumwolle) fielen den Fluten zum Opfer. In den Städten Kousseri (Kamerun) und N’Djamena (Tschad) sind Hunderttausende ohne Obdach. Sie haben ihre Häuser verloren oder diese stehen zum Teil bis über einen Meter im Wasser. Nun wohnen die Menschen eng zusammengepfercht in Zeltstädten aus Tüchern und Blachen.

Viele Häuser sind unbewohnbar geworden und Ernten gingen verloren.

Unsere beiden Partnerkirchen EET und UEEC haben Nothilfeprojekte lanciert. Sie planen, den Überschwemmungsopfern mit Nahrungsmitteln, Moskitonetzen, Medizin und Hygieneartikeln zu unterstützen sowie mit Samen für die Trockenzeithirse, welche aufgrund der feuchten Böden nach Ablaufen des Wassers gut wachsen könnte.

Hilfst du mit, die Not dieser Menschen zu lindern? Herzlichen Dank!
Andreas Zurbrügg, Länderverantwortlicher Sahel

https://www.sam-global.org/nothilfe/flut-tschad-kamerun

SAM global
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