Im guineischen Schulsystem mangelt es an Herausforderungen für alle Beteiligten wahrlich nicht.
Während der vergangenen Sommerferien führte der Staat Prüfungen durch, um Lehrpersonen zu rekrutieren. Es ist nachvollziehbar, dass sich fast jede Lehrerin und jeder Lehrer für diese Prüfungen angemeldet hat, in der Hoffnung, vom Staat viel Lohn, inklusive Altersvorsorge, für manchmal geringen Einsatz zu erhalten. So rekrutierte der Staat 10’000 Lehrpersonen, sehr viele auch aus den Privatschulen.
Anfang September dann informierte der Schulminister, dass dieses Jahr die Schulen schon im September, also eine Woche früher als üblich, eröffnet würden. So waren die Schulverantwortlichen, die Eltern und Schulkinder gefordert. In den Schulen (den öffentlichen und den privaten) waren die Lehrer noch gar nicht angestellt und sicher nicht vor Ort. Sie mussten zuerst das Reisegeld organisieren und sich auf den Weg machen. Die Eltern ihrerseits sahen sich (nach vier Monaten Sommerferien) finanziell nicht genügend vorbereitet auf die Schuleröffnung. Sie mussten ja erst das Reisegeld organisieren, damit ihre Kinder von den Ferien bei Onkel oder Tante zurückreisen konnten, dann das Geld für Schulhefte, vorgeschriebene Schuluniform, neue Schuhe, neuen Schulsack und natürlich auch das Schulgeld auftreiben. Und viele Schüler sagten dazu von Anfang an: «Wir gehen dann eine Woche nach Schuleröffnung zur Schule. Die ersten Tage müssen wir sowieso nur den Schulhof jäten oder das Schulzimmer putzen, weil die Lehrer eh noch nicht da sind… »
So findet also die Schuleröffnung in Guinea nicht am Tag x statt, sondern ab Tag x. Und gut ist, wenn so nach zwei, drei Wochen der Schulbetrieb «normal» läuft.
Der Kindergarten ist eine Freude
Zwei Wochen nach Schuleröffnung reiste ich nach AV Nord. Bei meinem Überraschungs-Besuch im Kindergarten wurde gerade die Schöpfungsgeschichte erzählt. Die rund 60 Kinder hörten aufmerksam zu. Anschliessend wurden sie in drei Klassen aufgeteilt und jeweils von zwei Lehrkräften (einer erfahrenen und einer neuen) unterrichtet. Es ist sehr ermutigend zu sehen, wie gut Mr. D. den Unterricht koordiniert und fördert und mit wieviel Freude die Kinder mitmachen.
Alle haben bestanden
In der AV Schule hatten während der Sommerferien sechs Lehrer ihr festes Arbeitsverhältnis aufgelöst, einige davon, weil sie vom Staat rekrutiert wurden. Umso erfreulicher ist die Tatsache, dass wir für die Primarschule wiederum genug Lehrkräfte finden durften und alle seit der Schuleröffnung am Unterrichten sind. In der Oberstufe fehlen uns fest angestellte Lehrer. Es war schwierig, die verschiedenen Unterrichtseinheiten mit Teilzeitangestellten, welche auch an der öffentlichen Schule unterrichten, abzudecken. In der Zwischenzeit steht der Stundenplan jedoch fest. Mr. Jean T., dessen Fortbildung zum Oberstufenlehrer wir über mehrere Jahre unterstützt haben, ist seit diesem Schuljahr Direktor der Oberstufe. Auch er gehört zu den vom Staat rekrutierten Lehrern und es ist leider nicht sicher, ob er nicht früher oder später in eine andere Stadt versetzt werden wird.
Alle 45 Schüler der 6. Klasse sowie die 39 Schüler der 10. Klasse der AV Schule haben im vergangenen Juni die Aufnahmeprüfung in die nächst höhere Klasse bestanden. Wirklich ein sehr erfreuliches Resultat. Dies hatte aber zur Folge, dass viele Schülerinnen und Schüler aus der öffentlichen Schule in die AV Schule wechseln wollten.
Freude herrscht
Auch Justin, das jüngste Kind eines ehemaligen Lehrers, hat im Juni das Examen bestanden, und zwar als bester der Präfektur. Vor drei Wochen wurde er mit 119 weiteren Kandidaten aus dem ganzen Land zu einer Prüfung nach Conakry eingeladen. Von den 119 Kandidaten haben deren 39 die Prüfung bestanden – Justin wieder als Bester. Was für eine Freude: Der beste Schüler aus ganz Guinea kommt von der AV Schule! Justin kann nun in Conakry an einer Privatschule die Oberstufe besuchen und alle Kosten werden vom Staat bezahlt.
Weniger ist manchmal mehr
Leider hat es der Direktor nicht geschafft, die Schülerzahl in einem guten Rahmen zu halten. Anstatt der «erlaubten» 450 Schüler kommen täglich deren 550 zum Unterricht. So ist es für alle Lehrkräfte und die Direktion eine sehr grosse Herausforderung, ein möglichst gutes Niveau beibehalten zu können. Da die Betreuung der jetzigen Schule wegen der hohen Schülerzahl und den vielen neuen Mitarbeitenden wesentlich mehr Arbeit vor Ort mit sich bringt, wird es sehr schwierig werden für den Direktor, auch noch den geplanten Schulhausbau zu überwachen. So haben wir beschlossen, mit dem Bau einer zweiten Primarschule abzuwarten. Gleichzeitig haben wir auch die Lohnsubventionen gestoppt, denn mit einer so grossen Schülerzahl kann die Schule auch ohne unsere Hilfe die Löhne bezahlen.
Weitere Betreuung des Projektes
Wir sind sehr gespannt, wie sich die Schule in den nächsten Monaten weiterentwickeln wird. Dies insbesondere, weil sich eine zusätzliche grosse Veränderung für AV Nord anbahnt: Im Frühjahr 25 werde ich aus verschiedenen Gründen definitiv in die Schweiz zurückkehren. SAM global möchte die AV Schule und den Kindergarten weiterhin begleiten. Familie R., die von 2010 bis 2017 in AV Nord arbeitete, hat dieses Projekt immer noch auf dem Herzen. Matthias könnte sich eine Begleitung aus der Ferne vorstellen. Wie das praktisch möglich sein wird, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.
Herzlichen Dank für euer Interesse und eure Unterstützung.
Daniela S.