Die evangelischen Kirchen im Tschad, die aufgrund des riesigen Bedarfs an guter Schulbildung begonnen haben, eigene Schulen zu führen, sind oft mit grossen Herausforderungen konfrontiert: Lehrkräfte ohne pädagogische Ausbildung, mangelnde Finanzen, nicht vorhandene Budgets, keine Brunnen, Toiletten usw.
Aber auch am Vorleben einer echten Nachfolge von Jesu Christus und dem Lehren von christlichen Werten wie Ehrlichkeit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit oder Demut muss gearbeitet werden. Unser Mitarbeiter Florent schreibt dazu:
Stärkung der Bildung
Die Erklärungen, welche aus dem ersten und zweiten afrikanischen «Runden Tisch» in den Jahren 2007 und 2012 in Johannesburg, Südafrika, resultierten, haben die Bedeutung der christlichen Bildung zur Entwicklung Afrikas hervorgehoben. Daraufhin wurde das PAS (Programme d’Amélioration Scolaire – Programm zur Verbesserung der Schulbildung) entwickelt, und zwar von herausragenden christlichen Pädagog/innen, die weltweit für die ACSI (Association of Christian Schools International – Internationale Vereinigung Christlicher Schulen) tätig sind und die Herausforderungen der Bildung in Afrika im Zeitalter der Globalisierung kennen. Ziel des Programms ist die Stärkung und Entwicklung möglichst vieler christlicher Schulen, ob in kleinen Dörfern, Städten oder Metropolen, um gemeinsam definierte, den lokalen Umständen angepasste Qualitätsstandards zu erreichen.
Verbesserung der Schulen
Konkret werden dazu sieben Bereiche geschult. Sie beziehen pädagogische, akademische, soziale und biblische Aspekte mit ein. Es sind dies: Grundlagen (rechtliche Dokumente), Führung der Schule und des Personals, Unterricht und Lernen, Finanzen, Infrastruktur, Gesundheit und Sicherheit, geistliche Bildung, die Kultur an der Schule und schliesslich ein kontinuierlicher Plan zur Verbesserung und Entwicklung der Schule.
Eine Schule, die sich auf diesen Prozess einlässt, zeigt damit ihren Wunsch, den Namen Jesu Christi zu ehren und verpflichtet sich, eine bestmögliche Schule zu werden.
Das CNEET, der nationale Verband der christlichen Schulen im Tschad, hat vorerst zehn christliche Schulen ausgewählt, um diesen Prozess zu durchlaufen. Vier Leiter von jeder Schule, die Entscheidungsbefugnis haben (zwei Mitglieder des Verwaltungsrats und zwei Mitglieder der Direktion), nehmen während zweier Jahre an fünf Schulungseinheiten teil.
ACSI hat die zwei ersten Personen geschult (zugelassene Ausbildner), die dann sieben angehende Ausbildner unterrichtet haben. Diese bilden ihrerseits die 40 Leitenden aus, die an ihren jeweiligen Schulen die Verbesserungen vorantreiben.
Seit März 2022 bis heute haben vier der fünf Schulungseinheiten stattgefunden, um die sieben Themen durchzuarbeiten. Mit der letzten Schulungseinheit Ende November wird der erste Durchgang abschlossen werden.
Florent N.T.
Mathematik wirklich verstehen
Neben unserer Tätigkeit am Evangelischen Lehrerseminar gehören auch Weiterbildungskurse für Lehrpersonen zu unserem Aufgabenbereich. Nachdem wir im letzten Jahr einen Informatikkurs anbieten konnten, haben wir uns dieses Jahr vorgenommen, Kurse in Mathe-Didaktik abzuhalten. Unser wichtigstes Anliegen dabei ist es, die Lehrpersonen zu sensibilisieren, wie man den Kindern der ersten Primarklassen den Zahlenraum, die Zahlen und deren Bedeutung anschaulich vermitteln kann. Denn die Fähigkeit, Zahlen als Mengen zu verstehen, ist von grundlegender Bedeutung, bauen doch alle weiteren mathematischen Fähigkeiten darauf auf. Ausserdem wollen wir ihnen Ideen vermitteln, wie man mit Spielen, einfachen Anschauungsmitteln und praktischen Aktivitäten den Unterricht für die Kinder abwechslungsreich und lehrreich gestalten kann. Doch wie ist dies realisierbar in einem Land mit so schwierigen Rahmenbedingungen? Die Schulen haben keine Mittel, Anschaffungen zu tätigen, und die Klassen umfassen zwischen 40 und 80 Kinder. Unsere Ideen müssen sich also mit sehr einfachen Mitteln verwirklichen lassen und für die vielen Kinder gleichzeitig zur Verfügung stehen.
Einfache, aber wirkungsvolle Mittel anwenden
Im Juli war es dann so weit: In Toukra, einem Vorort der Stadt N’Djamena, konnten wir den ersten Mathekurs durchführen. Neben Theorieblöcken führten wir einfache didaktische Mittel ein und zeigten, wie man sie im Unterricht einsetzen kann. So stellten beispielsweise die Kursteilnehmenden die Anschauungsmittel und Spiele aus laminiertem Papier selbst her. Um Mengen darzustellen, nutzten wir Kieselsteine, Bohnen und Flaschendeckel. Wir hoffen, dass am einen oder anderen Ort die Ideen später im Unterricht auch wirklich umgesetzt werden. Auf jeden Fall haben die Teilnehmenden begeistert mitgearbeitet und das abwechslungsreiche Programm des Kurses sehr geschätzt. Für uns war es ebenfalls eine sehr gute Erfahrung, auch wenn einige Fragezeichen bleiben, da uns nicht ganz klar ist, weshalb sich eher wenige Lehrpersonen angemeldet haben. Wir hoffen, in Zukunft noch weitere Kurse zu realisieren und damit unsere Ausbildungstätigkeit am Seminar ergänzen zu können.
Silvia und Hansueli F.
Hoffnung für ein stolzes Volk
Ende 2017 hat mein Einsatz in einer Oase im Tibestigebirge in Norden des Tschads begonnen. Dort lebt das Volk der Tubu, was Felsenmenschen bedeutet. Ich arbeitete als Hebamme im Regierungsspital zusammen mit einem englischen Ärztepaar. Vorher existierten die Gebäude schon mehrere Jahre, es wurde darin aber nur ein einfacher Gesundheitsposten betrieben. In einem mühsamen Aufbauprozess haben die Ärzte daraus ein Spital gemacht. Anfangs kamen nur wenige Patientinnen und Patienten, vor allem Staatsangestellte, die aus dem Süden stammen. Mit der Zeit realisierten die Einheimischen, dass es im Spital kompetente Ärzte gibt und reisten weniger oft für ärztliche Behandlungen nach Libyen, wie sie es vorher taten. Der erste, erfolgreiche Kaiserschnitt brach das Eis endgültig.
2015 wurde in der Grossregion Gold gefunden. Dadurch wurden viele Familien innerhalb weniger Jahre enorm reich. Sie kauften Generatoren für die Stromproduktion und die meisten ersetzten ihre traditionellen Steinhäuser durch zum Teil grosse und luxuriöse Villen. Klimaanlagen, Kühlschränke, Gefriertruhen, Fernseher usw. wurden selbstverständlich, ebenso wie Solarpanels auf den Dächern. Inzwischen kann man auf dem Markt fast alles kaufen, was das Herz begehrt. Die so lange abgeschottete Bevölkerung, welche nach Jahrhunderte alten Regeln und Sitten lebte, hat nun durch Fernsehen und Internet plötzlich Einsicht in eine anders funktionierende Welt. Hunger und schwere Arbeit sind durch den plötzlichen Reichtum kein Thema mehr. Man leistet sich Hausangestellte und auf den Goldfeldern schuften Männer aus anderen ethnischen Gruppen. Dort gibt es öfters schwere Unfälle, denn Sicherheitsmassnahmen sind unbekannt. Auch kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit Schusswaffen oder Messern. Verletzte, welche den stundenlangen oder gar zwei- bis dreitägigen holprigen Transport ins Spital überleben (wenn sie überhaupt gebracht werden) haben Glück gehabt. Immer wieder müssen auch Gliedmassen wegen Gasbrand (einer bakteriellen Muskelinfektion) oder anderen Komplikationen amputiert werden.
Die Tubus verstehen sich als die absoluten Herrscher der Region und sie sind es auch. Aber das riesige Gebiet ist schwer zu kontrollieren. Verstecke für Banditen, Rebellen oder wer sich sonst nicht zeigen darf, gibt es genug. Entsprechend unsicher ist das Reisen. Jeder Tubu-Familienvater hat mindestens eine Waffe zu Hause. Schon kleine Buben kennen sich mit Waffen aus und lernen den Umgang damit früh. Der wichtigste Wert in dieser Gesellschaft ist es, die eigene Ehre zu verteidigen. Wenn jemand sie verliert, kann es für den Gegner oder den Verursacher tödlich enden. Bei einem Streit einzugreifen, ist nach ihrer Gesetzgebung strafbar, denn so könnte man verhindern, dass der scheinbare Verlierer vielleicht doch noch gewinnen und somit seine Ehre hätte retten können.
Sehr viel Ausdauer ist nötig
Wie arbeitet man in einer Bevölkerung, wo Höflichkeit ein Zeichen von Schwäche ist? Wo man sich so verhalten muss, dass ja niemand beleidigt oder in seiner Ehre verletzt wird? Wo die Patienten dem Doktor sehr bestimmt sagen, was für eine Behandlung sie brauchen, auch wenn es medizinisch gesehen völliger Unsinn ist? Wenn man immer wieder Zeuge wird oder hört, wie ungerecht andere ethnische Gruppen behandelt werden? Wo man erlebt, dass Unwissenheit und Sturheit Menschenleben kosten?
Dazu kommt, dass in den Koranschulen vor den Christen gewarnt wird: Sie seien unrein, würden Schweinefleisch essen, Alkohol trinken, die Frauen seien sehr triebhaft usw. Deshalb könne Allah Gebete der Christen unmöglich erhören. Für die Tubus sind alle Nicht-Muslime Heiden, mit denen sie nicht aus der gleichen Schüssel (von Hand) essen dürfen. Aber auch die Tubus selbst werden diskriminiert. In Libyen wurden zur Zeit der Regierung durch Muammar al-Gaddafi die Sprache und die Namen der Tubus heidnisch genannt und verboten. So sitzt die Abneigung gegen alles Arabische tief, gleichzeitig ist der Druck durch den allgegenwärtigen Islam da. Die Tubus verhinderten bis jetzt das Eindringen islamischer Extremisten vom Norden her in den Tschad.
Wertschätzung zeigen
Mit unserer Arbeit im Kulturzentrum (Herstellung und Übersetzung von Lesematerial, Filmclips, Wörterbuch usw. sowie Lesekursen) zeigen wir den Tubus auf, dass ihre, für uns sehr schwierige Sprache wertvoll ist. Auch ein Museum mit typischen Gegenständen der Tubukultur wird nun eingerichtet. Wichtige Persönlichkeiten weisen darauf hin, dass man beim Lesen der Tubusprache in lateinischer Schrift nicht automatisch Christ wird. Gott habe ihre Sprache erschaffen.
Ich konnte zur Herstellung einer Fibel mit den Konjugationen der Verben beitragen. Die grösste Gruppe, welche gleich konjugiert wird, umfasst nur 50 Verben! Ein Verb kann auf über 50 verschiedene Arten konjugiert werden! Den Tubus zeigt es auf, wie reich ihre Sprache ist, was ihnen oft nicht bewusst ist. Werden sie den Anschluss an die Moderne schaffen, ohne ihre Kultur und Herkunft zu verleugnen? Als Christen haben wir etwas, was ihnen fehlt: die Liebe zum Nächsten. Das spüren sie. Es gab Momente im Spital und im Städtchen, wo die Frauen, wenn niemand zusah und zuhörte, mir dankten, dass ich da war und im Spital arbeitete. Nach all den Jahren spüren wir als Team nun eine Veränderung zu mehr Offenheit. Im Internet finden die Tubus viele Informationen auch zum christlichen Glauben. Davon haben einige Gebrauch gemacht.
Das gibt Hoffnung, denn ich bin überzeugt, dass nur Tubus ihren eigenen Leuten die gute Nachricht von Jesus Christus so erklären können, dass sie richtig verstanden wird.
Helen M.
Herzlichen Dank für euer Interesse und eure Unterstützung!
Andreas Zurbrügg, Länderverantwortlicher