Eigentlich war diese Ausgabe der Pro-BAAGI NEWS reserviert für Pastor Aristarque und Pastor Jonathan. Wir hatten die beiden Verantwortlichen unserer Partnerkirche EE/SIM eingeladen, um am SAMfest in Crissier sowie in Winterthur über ihre Arbeit und die Rolle der Kirche im terroristischen Umfeld zu berichten. Gerne hätten wir an dieser Stelle über ihren Besuch berichtet. Leider wurde ihr Visaantrag abgelehnt und der Besuch musste abgesagt werden (siehe letzte Seite).
Es gibt aber auch andere interessante Entwicklungen, insbesondere im Bereich von landwirtschaftlichen Projekten, deren Förderung wir in Burkina Faso vermehrt ausbauen wollen. Mehr Informationen über ein neues Projekt gibt das folgende Interview mit Sosthène N. Im zweiten Teil berichte ich gerne etwas über die Aktivitäten, die bereits einige Monate am Laufen sind.
Sosthène, wer bist du und was machst du?
Ich heisse Sosthène S.N., bin verheiratet und Vater von zwei Kindern. Ich bin Agrarökonom und Projektmanager und als Geschäftsführer von WITY-AGRO tätig. Ich unterstütze Organisationen und Einzelpersonen dabei, Projekte aufzubauen, die Gestaltung von Gärten und Feldern zu planen und die landwirtschaftliche Produktion auf nachhaltige Weise zu optimieren.
Du bist ein Experte auf dem Gebiet der Landwirtschaft. Was weckt in dir die Leidenschaft für dieses Thema?
Mein Engagement für diesen Bereich kommt daher, weil die Autonomie im Bereich der Nahrungsmittelversorgung sehr essentiell für die Entwicklung eines Landes ist. Es ist die Aufgabe unserer Generation, genug zu produzieren, um die Menschen im Land ernähren zu können, und gleichzeitig die Natur für die nächsten Generationen zu bewahren.
Du hast eine Studie über die Situation der Binnenvertriebenen durchgeführt. Was sind laut dieser Studie die grössten Bedürfnisse dieser Menschen?
Diese Menschen brauchen medizinische Versorgung, Unterkunft, Kleidung, Schulbildung für die Kinder, Ackerland und vor allem Nahrung. Sie sind in der Lage, die benötigten Nahrungsmittel selbst zu produzieren, wenn sie über die entsprechenden Geräte, das benötigte Gelände und die angepassten Techniken verfügen.
Das bei SAM global eingereichte Projekt zielt darauf ab, die Ernährungssituation der Vertriebenen zu verbessern. Welche Strategie plant ihr?
Wir planen, die Vertriebenen und ihre Gastgeber in Arbeitsgruppen zu organisieren, denen wir agroökologische Techniken zur Verbesserung ihrer landwirtschaftlichen Erträge auf kleinflächigen Feldern vermitteln werden. Im Rahmen dieses Projekts wird es auch darum gehen, die Lagerung der Produkte durch die Wiederherstellung der Getreide- und Gemüsespeicher zu verbessern. Wir beabsichtigen auch, die sozioökonomische Widerstandsfähigkeit von Frauen und Jugendlichen (die die Mehrheit der Vertriebenen bilden) durch einkommensschaffende Aktivitäten und durch interne Spar- und Kreditgemeinschaften zu stärken.
Welche Hindernisse können den Erfolg des Projekts beeinflussen?
Sozio-politische Krisen, fehlende Sicherheit, negative klimatische Bedingungen, die Inflation der Rohstoffpreise und die Nichtverfügbarkeit von finanziellen Mitteln für die Durchführung der Aktivitäten könnten den Erfolg des Projekts beeinflussen.
SAM global arbeitet mit WITY-AGRO zusammen. Kannst du uns dieses Unternehmen vorstellen?
WITY-AGRO ist eine Organisation, die im Bereich des Projektmanagements und der Agrarökologie tätig ist. Sie wurde 2021 von jungen Burkinabé gegründet, die sich für den Erhalt der familiären Landwirtschaft und die nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land einsetzen. Wir entfalten unsere Kompetenzen in Burkina Faso und könnten als Vermittler für internationale Organisationen dienen, die in der Subregion Aktivitäten durchführen möchten. WITY-AGRO ist unter anderem in folgenden Bereichen tätig: Planung der Bodenbebauung, Projektaufbau, Fallstudien, duale Ausbildung und Beratung in Agrarökologie. Hauptziel ist es, Einzelpersonen und Organisationen zu unterstützen, ihre nationalen und internationalen Projekte und Programme zur nachhaltigen Entwicklung auf professionelle Weise umzusetzen.
Bisher hast du dich in säkularen Projekten engagiert. Was bedeutet es für dich, ein Projekt zu leiten, bei dem die Vermittlung von biblischen Werten ein wichtiger Aspekt ist?
Diese Aufgabe beinhaltet für mich, dass mein christlicher Glaube in meiner Arbeit sichtbar und erlebbar wird. Der religiöse Charakter stellt auch eine grosse Herausforderung dar, da die Menschen in den Einsatzgebieten überwiegend anderen Glaubensrichtungen angehören. Wie wir auf gute Art auf sie zugehen können, werden wir in Zusammenarbeit mit den Pastoren angehen. Es wird für mich eine Gelegenheit sein, meine Kenntnisse der Guten Nachricht zu vertiefen und einen Zusammenhang mit den landwirtschaftlichen Techniken herzustellen.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Sosthène, und Gottes Segen!
NAHRUNGSMITTEL ANBAUEN, EIN EINKOMMEN ERZIELEN
Tin Naabi heisst das Entwicklungsdepartement unserer Partnerkirche EE/SIM in Burkina Faso. Pierre Mano hat früher die gesamte medizinische Arbeit der Kirche koordiniert. Seit einiger Zeit leitet er Tin Naabi, welches mit verschiedenen internationalen Organisationen zusammenarbeitet. Obschon diese Zusammenarbeit noch sehr jung ist, haben wir mit Tin Naabi bereits drei Projekte gestartet:
Gärten für Vertriebene (Jardins de survie)
Als wir in der Budgetdiskussion für 2022 die Kirchenleitung fragten, wie SAM global die EE/SIM in der aktuell schwierigen Situation unterstützen könnte, unterbreitete diese ein Projekt zu Gunsten der vertriebenen Pastoren. Deren Gemeinden sind zerstreut und sie können sich sonntags nicht mehr in der Kirche treffen. Entsprechend fällt die Unterstützung der Pastoren durch die Kollekten weg. Weil die nationale Leitung ebenfalls von Spenden aus den Kirchen lebt, kann sie die Lücke nicht füllen. Daher schlug sie vor, dass SAM global diejenigen unterstützt, die an ihrem neuen Ort ein Stück Land mit Bewässerungsmöglichkeiten zur Verfügung haben. Die Unterstützung erfolgt in der Form einer Umzäunung, mit Gartenwerkzeug und einer Schulung. Seit Anfang Jahr sind so 16 Gärten entstanden. Erste Resultate lassen sich sehen.
Kuh-Projekt
Zusammen mit dem Evangelischen Zentrum für transkulturelle Arbeit CEFM haben wir schon länger ein Projekt gestartet, um Familien im transkulturellen Dienst eine kleine einkommensgenerierende Tätigkeit zu ermöglichen. Die bisher beantragten Beträge wurden ausschliesslich für Tierzucht, insbesondere die Aufzucht von Kühen, eingesetzt. So haben wir im letzten Geschenkkatalog explizit Spenden gesammelt, um den Kauf von Kühen zu unterstützen. Das Ergebnis war so erfreulich, dass wir zusätzlich zu den Abgängern des CEFM auch 15 vertriebenen Pastorenfamilien einen Kredit anbieten konnten. Je nach Einsatzort haben diese wie geplant Kühe gekauft, andere wollten lieber in Ziegen, Schafe oder Hühner investieren. Die Kredite zwischen rund 600 und 1’200 Franken sollten innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre zur Hälfte zurückbezahlt werden. Tin Naabi, das diese Kredite verwaltet, hat dann die Aufgabe, diese Gelder wiederum anderen Familien zur Verfügung zu stellen.
Garten am CEFM
Ein drittes Projekt wurde uns zu Beginn der Regenzeit 2022 (Mai) sehr kurzfristig unterbreitet. Als die Studentenfamilien sich nach dem ersten Regen auf die 17 Hektare Land des CEFM begaben, um die Felder einzuteilen und vorzubereiten, standen plötzlich Soldaten vor ihnen. Diese erklärten ihnen, weshalb die Strohdächer der Hütten auf dem Gelände abgebrannt waren und die Felder dieses Jahr nicht bebaut werden dürften. Anscheinend liegen die Felder an einer von den Rebellengruppen verwendeten Route, auf welcher es immer wieder zu Zusammenstössen mit der Armee kommt. Die Hütten seien bei einem Kampf durch einen Raketenbeschuss aus einem Kampfhelikopter in Flammen gesetzt worden. Einige der Studierenden konnten in ihre Herkunftsdörfer fahren und bebauen dort ihre Felder. Fünf Familien jedoch kommen aus Gebieten, in denen Christen nicht mehr willkommen sind. Daher müssen sie die Regenzeit am Zentrum verbringen. Zusammen mit der Direktion wurde entschieden, auf dem grossen, mit Mauern umgebenen Schulgelände Gärten anzulegen. Diese können, dank dem im letzten Jahr gebauten Wasserschloss mit Solarpumpe, während dem ganzen Jahr bepflanzt werden. Die Gärten sollen nicht nur zur Selbstversorgung dienen, sondern idealerweise auch etwas Gemüse für den Verkauf abwerfen. Aktuell sind die fünf Familien dabei, fleissig Setzlinge zu ziehen, Kompost herzustellen und ihre Gärten zu bearbeiten. Sie werden dabei von einem Experten begleitet, der von Tin Naabi angestellt ist. Wir hoffen, dass diese Erfahrung die Familien befähigt, später im Einsatz mit ihrem Wissen den Menschen zu dienen, leichter Kontakte zu knüpfen und Gottes Schöpferkraft und Liebe weitergeben zu können.
GROSSE ENTTÄUSCHUNG
Sicher habt ihr euch wie ich auf den Besuch der beiden Pastoren Aristarque L. und Jonathan O. gefreut. Sie hätten für den Besuch ein Schengen-Visum haben müssen. Dies mussten sie bei der belgischen Botschaft beantragen. Dazu gibt es im Internet eine genaue Liste der benötigten Dokumente und wir haben versucht, alle Papiere frühzeitig bereitzustellen, die von der einladenden Organisation benötigt werden: Flugticket, Einladung, Versicherung, Reiseprogramm etc. Der Antrag wurde schliesslich in Belgien behandelt und leider abgelehnt, weil wir nicht ausreichend belegt haben, dass SAM global über genügend Finanzen verfügt, um die beiden Pastoren empfangen zu können. Leider wurde dies nicht ausdrücklich so verlangt. Alle unsere Nachforschungen und auch einige Kontakte haben leider nicht geholfen. Einzige Option wäre die neue Eingabe der Dokumente gewesen. Aber das hätte zwei Monate gedauert und wir hatten nur noch 10 Tage Zeit. So musste der Besuch schweren Herzens abgesagt werden. Die beiden SAMfeste in Crissier und in Winterthur konnten trotzdem stattfinden und waren auch ohne die beiden Gäste sehr schön und bereichernd. Die speziell organisierten Missionsabende in der Pfimi Thun und in der Chrischona Samstagern wurden abgesagt. Die Gottesdienste, die sie mitgestaltet hätten, müssen nun auf andere Weise stattfinden. Sicher wird die Arbeit in Burkina Faso trotzdem thematisiert werden.
Mein Wunsch ist es, dass die Idee, während ihres Besuches jeweils eine Kollekte für ein Auto für die Kirche zu erheben, trotzdem verfolgt wird. Die Kirchenleitung braucht dringend ein geländegängiges Auto. Wer sich daran beteiligen möchte, kann das jetzt gerne tun oder auf den nächsten Geschenkkatalog warten, in dem wir dafür nochmals die Gelegenheit geben werden. Herzlichen Dank für alle Unterstützung!
Andreas Zurbrügg, Länderverantwortung Sahel