Unser Projektname ist Programm – im Maison d’accueil empfangen wir jedes Jahr Hunderte von Gästen. Dank der zentral gelegenen und gut eingerichteten Infrastruktur können wir für viele Mitarbeitende von verschiedenen Organisationen ein Stützpunkt, eine Dienstleistungsstelle, ein sicherer Hafen und manchmal sogar ein Erholungsort sein.
Im September 2024 haben wir unser neues «Willkommens-Projekt» offiziell gestartet: L’Abri – ein Haus für Frauen. Abri bedeutet: Schutzraum – Unterstand – ein sicherer Ort. Wir beherbergen Frauen und Kinder, die von der Familie ausgestossen wurden, in der grossen Stadt keine bezahlbare Wohnmöglichkeit finden und Schutz brauchen, weil sie aufgrund ihres Glaubens verfolgt werden. Zurzeit wohnen dort fünf Frauen, zwei Teenagermädchen und ein achtjähriges Mädchen und teilen Leben, Wohnzimmer, Küche und Bad. Sie lernen, mit bescheidenen Mitteln jeden Tag eine gute Mahlzeit zuzubereiten. Wir sind noch am Anfang mit diesem Projekt und haben verschiedene Ideen, wie die Frauen noch mehr beschäftigt und gefördert werden können. Zwei von ihnen besuchen den neuen Lehrgang der Hauswirtschaftsschule.
Die Frauen ergreifen die Chance
Am 17. September 2024 war es wieder soweit: Zehn Frauen aus fünf verschiedenen Ethnien haben mit dem neuen Kurs der Hauswirtschaftsschule begonnen. Alle waren sehr gespannt und auch angespannt – mit ihnen die beiden Lehrpersonen!
Es sind wieder zehn verschiedene Leben mit ganz unterschiedlichen Geschichten. Das Bildungsniveau und der allgemeine Wissensstand sind dieses Mal relativ tief – somit müssen wir den Unterricht wieder neu anpassen und die Inhalte noch einfacher vermitteln. Gleichzeitig erleben wir, wie sich schon nach vier Wochen einzelne Frauen entwickeln und grosses Interesse zeigen. Die Entscheidung, vor allem junge bis sehr junge Frauen aufzunehmen, erweist sich als gut. Sie sind noch fähig, Neues zu erlernen und sind noch nicht zu sehr in ihren Mustern verhaftet. Wir sind gespannt, wie sich die Frauen entwickeln werden und welche Begabungen zum Vorschein kommen.
Die einzelnen Schicksale berühren uns einmal mehr sehr stark und wir sind herausgefordert, wie wir eingreifen und helfen wollen, so wie bei Hassatou.
Bittere Erfahrungen verarbeiten, neue Hoffnung schöpfen
Hassatou ist eine Frau aus der Ethnie der Peul. Sie ist Muslima, kam auf Empfehlung einer ehemaligen Schülerin und wohnt in einer Vorstadt – 40 km von uns entfernt. Vor 10 Jahren wurde sie von ihrem Ehemann verlassen, nachdem sie gerade ihr erstes Kind geboren hatte. Der Mann erklärte ihr, er gehe ins Ausland, um Geld zu verdienen. Sie solle auch Geld verdienen, bis er wiederkomme. Mit ihrem Sohn schlug sie sich irgendwie durch und konnte sogar etwas Geld auf die Seite legen. Tatsächlich kam der Mann zurück, forderte das Geld, um angeblich ein Stück Land zu kaufen, und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Nun stand sie da, ohne Unterkunft und ohne Geld und musste ihren Sohn weggeben. Sie selbst kam bei einer Nachbarin unter – schlief auf dem Fussboden und verkaufte für diese Nachbarin Besen. Als sie sich bei uns vorstellte, beschrieb Hassatou es so:
«Madame, ich bin eine Sklavin! Alles wurde mir genommen, auch meine Würde.»
Die Hauswirtschaftsschule ist ihre einzige Hoffnung, ihre Freundin konnte dadurch selbständig werden. Nun kommt sie jeden Schulmorgen pünktlich um 8.30 Uhr hier an. Dafür fährt sie um 5.30 Uhr los. Wir bezahlen ihr den Transport von umgerechnet CHF 4. – pro Tag. Nach vier Wochen Schulbesuch hat Hassatou bereits eine eigene, sehr einfache Unterkunft und einen Job in einem kleinen Laden gefunden. Sie hat ihren Sohn wieder zu sich genommen, da er bei der Pflegefamilie nicht mehr willkommen war. Wir übernehmen das Schulgeld für den Jungen, die Miete bezahlt Hassatou jedoch selbständig. Hassatou ist eine beherrschte, verbitterte Frau. Als wir ihr das Schulgeld in die Hand drücken, kullern plötzlich ganz viele Tränen über ihr Gesicht. Unter Schluchzen erzählt sie uns, wie erniedrigend und entwürdigend sie die Zurückweisung ihres Ehemannes erlebt hat und wie bitter sie dies gemacht hat. Wir erzählen ihr von der Liebe Gottes, von dem Gott, der sie sieht! Von dem Gott, der sie zu uns geschickt hat. Ein Hoffnungsschimmer flackert über ihr Gesicht – wir sind überzeugt, dass Gott mit Hassatou noch Geschichte schreiben wird!
Gemeinsam den Weg suchen
Die Mission Philafricaine, wie unsere Organisation in Guinea heisst, arbeitet vor Ort mit Partnern zusammen, beispielsweise der GBEEG, den guineischen Bibelgruppen, die unter den Studierenden an fast allen Universitäten des Landes wirken. Es gibt Tausende von Studenten in verschiedenen Städten Guineas; Hunderte davon besuchen während dem Studium eine Bibelgruppe, wo sie sich zusammen austauschen, Bibel lesen, beten und auch das praktische Leben teilen. Viele Studierende sind weit weg von Zuhause in einer fremden Stadt, wo sie anfänglich kaum jemanden kennen und entwurzelt sind. So wird eine solche Gruppe für viele junge Leute zu einer grossen, praktischen Hilfe und einer temporären geistlichen Heimat. Paul, ein junger, aufgestellter Mann aus einer einfachen Familie aus dem Südosten des Landes, hat in Conakry ein Architekturstudium begonnen. Von seiner Familie und vom Staat kann er keine finanzielle Unterstützung erwarten. Deshalb schlief er anfänglich im Hörsaal! Im Laufe von mehreren Gesprächen stellte sich heraus, dass Architektur doch nicht das richtige Fach für ihn ist, auch weil es leider «brotlos» ist in Guinea. Nun wechselt er in die Informatik. Wir unterstützen ihn ideell und finanziell. In den letzten Sommerferien hatte er erstaunlicherweise eine bezahlte Arbeit bei einem Vermesser gefunden. Das hilft ihm, auf eigenen Beinen zu stehen und seinen Lebensunterhalt während des Studiums mitfinanzieren zu können. Das freut uns.
Herzlichen Dank für euer Interesse und eure Unterstützung.
Cornelia & Peter F.